Barrierefreiheit 2025
Frank Herold, Experte für TYPO3 und Usability | 12.11.2024 | Lesezeit: 7 min
Barrierefreiheit 2025: Was Unternehmer jetzt in Bezug auf ihre Website wissen müssen
2025 steht vor der Tür, und damit rückt auch das Thema Barrierefreiheit im Netz weiter in den Fokus. Unzählige Infos kursieren online, doch eine Frage bewegt Sie als Unternehmer wahrscheinlich besonders: “Betrifft mich das auch?”
Im Folgenden klären wir, für wen die 2025 in Kraft tretenden Änderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vorgeschrieben sind und welche Kriterien eine barrierefreie Website erfüllen muss.
Inhaltsverzeichnis
Warum ist Barrierefreiheit wichtig?
In Deutschland leben rund 8 Millionen Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung. Dabei betrifft Barrierefreiheit weit mehr Menschen als nur jene mit offiziellen Beeinträchtigungen. Ob nach einem Unfall, durch Krankheit oder einfach altersbedingt: Jeder kann irgendwann in eine Situation geraten, in der der Zugang zu barrierefreien Inhalten entscheidend ist. Barrierefreie Webinhalte bieten klare Vorteile für alle Nutzer, denn sie sind einfacher zu bedienen und oft besser verständlich. Auch mit einem gebrochenen Arm, einem Kind auf dem Arm oder bei altersbedingten Einschränkungen in Hör- oder Sehvermögen kommt man durch barrierefreie Inhalte leichter ans Ziel und im besten Fall auch leichter zu Ihrem Produkt.
Gesetzliche Grundlagen und Pflichten
Die europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit
Die europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit im Internet, auch bekannt als European Accessibility Act (EAA), ist eine bedeutende Richtlinie der Europäischen Union, die die Barrierefreiheit von Websites und Online-Angeboten regelt. Ziel des EAA ist es, einheitliche Standards für die Barrierefreiheit in der gesamten EU zu schaffen und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen haben.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und seine Anforderungen
Durch die Umsetzung des EAA in deutsches Recht durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird die Barrierefreiheit in Deutschland weiter gestärkt und Unternehmen werden verpflichtet, ihre digitalen Angebote entsprechend anzupassen. Es verpflichtet Unternehmen, ihre Websites und Online-Angebote so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die Anforderungen des BFSG basieren auf den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und der europäischen Norm EN 301 549. Diese Richtlinien und Normen stellen sicher, dass digitale Inhalte für alle Nutzer, unabhängig von ihren Fähigkeiten, zugänglich und nutzbar sind. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass ihre Websites den Kriterien der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit entsprechen, andernfalls drohen Bußgelder in Höhe von mehreren tausend Euro oder sogar die Anordnung, den Webauftritt vorübergehend einzustellen.
Für wen gilt das BFSG?
Für Behörden und öffentliche Verwaltungen gibt es bereits durch das Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) Vorgaben, Websites, Intranet-Anwendungen und Apps barrierefrei zu gestalten. Die Notwendigkeit und die gesetzlichen Vorgaben für barrierefreie Websites sind entscheidend, um sicherzustellen, dass digitale Inhalte für alle Nutzer zugänglich sind. Mit dem BFSG und der Umsetzung der europäischen Richtlinie EAA wird nun auch die Privatwirtschaft einbezogen. Nicht alle Unternehmen sind jedoch gleichermaßen betroffen: Vorrangig gilt das Gesetz für B2C- und D2C Unternehmen.
Unternehmen, die digitale Produkte wie Computer, Smartphones oder E-Book-Reader anbieten, sowie Anbieter von Bankdienstleistungen und Telekommunikation sind ebenfalls zur Barrierefreiheit verpflichtet. Auch elektronische Dienstleistungen im B2C-Bereich, wie Online-Shops, Apps oder Buchungsformulare, z.B. zur Terminvereinbarung, müssen barrierefrei gestaltet sein. Damit rücken viele mittelständische und größere Unternehmen in den Fokus, die digitale Services für Endkunden anbieten. Die BITV 2.0, die auf die europäische Norm EN 301 549 verweist, legt die Barrierefreiheitsanforderungen fest und ist eng mit den WCAG 2.1 Richtlinien verbunden.
Doch es gibt Ausnahmen: Kleine Unternehmen bis 10 Mitarbeiter und maximal 2 Mio. € Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme sind von der Umsetzungspflicht ausgenommen – zumindest vorerst.
Wichtig zu wissen: Bei Unternehmen der B2B-Branche muss zudem klar auf der Homepage erkennbar sein, dass nicht an Endkunden verkauft wird, um sich von den BFSG-Vorgaben auszuschließen.
Nichtsdestotrotz profitieren auch kleinere Anbieter davon, die eigene Website und digitale Services barrierefrei zu gestalten: Die Zugänglichkeit für Menschen mit Einschränkungen erhöht die Reichweite und kann den Umsatz langfristig steigern. Ein barrierefreies Angebot spricht zudem für eine moderne, inklusive Unternehmenshaltung und wird auch von Suchmaschinen positiv bewertet, was zu besseren Platzierungen im Ranking führen kann.
Was ist für eine barrierefreie Website notwendig?
Erklärung zu EAA, EN 301 549 und WCAG 2.1
Damit eine Website als barrierefrei gilt, müssen bestimmte Standards und Richtlinien erfüllt sein, die auf dem European Accessibility Act (EAA) und der Norm EN 301 549 basieren. Diese Norm beschreibt das Vorgehen, um sicherzustellen, dass digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sind. Für Websites und Anwendungen verweist die EN 301 549 direkt auf die internationalen “Web Content Accessibility Guidelines” (WCAG 2.1) auf Level AA.
Die WCAG bauen auf den folgenden vier Säulen auf:
- Wahrnehmbarkeit: Die Inhalte und Bestandteile des Online-Auftritts müssen für alle, auch z.B. blinde Menschen, wahrnehmbar sein.
- Bedienbarkeit: Die Benutzeroberfläche muss vollständig bedienbar sein, z.B. auch per Tastatur oder Sprachsteuerung.
- Verständlichkeit: Alle Informationen und Bestandteile der Website müssen für die Benutzer leicht verständlich sein. Denken Sie beispielsweise an Fehlermeldungen in Formularen.
- Robustheit: Auch nach Updates oder bei neueren Technologien müssen die Web-Inhalte für alle zugänglich bleiben.
Die WCAG umfassen drei Stufen:
- Stufe A und AA: Erfüllung dieser Kriterien ist erforderlich, um den Anforderungen der Norm EN 301 549, welche als Basis für das BFSG dient, zu entsprechen. Diese Stufen ermöglichen vielen Menschen mit Behinderung den Zugriff auf Inhalte und sind meist gut umsetzbar.
- Stufe AAA: Diese Anforderungen, wie die Bereitstellung von Gebärdensprache für Videos, sind oft anspruchsvoller und müssen aktuell noch nicht zwingend bereitgestellt werden.
Von der Theorie nun zur Praxis:
Betrachten wir eine Website, was bedeutet das nun konkret für die bereitgestellten Inhalte und Funktionen? Was muss bei der Neugestaltung oder der Überarbeitung einer Website beachten, damit sie am Ende auch als barrierefrei gilt?
Folgende Aspekte sollten Sie auf jeden Fall mit Ihrer Website erfüllen:
Wahrnehmbarkeit:
- Bereitstellung von Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte (z.B. Hinterlegung von Alt-Tags bei Bildern)
- Untertitel und Audiobeschreibungen für Videos
- Ausreichende Farbkontraste
Bedienbarkeit:
- Zugänglichkeit aller Funktionen per Tastatur
- Verzicht auf blinkende oder potentiell anfallsauslösende Inhalte
- Einbindung von Navigationshilfen, um Inhalte leichter zu finden
Verständlichkeit:
- Lesbare und verständliche Textgestaltung
- Unterstützung bei der Eingabe von Daten
Robustheit:
- Kompatibilität mit aktuellen und zukünftigen Benutzeragenten sicherstellen
- Gewährleistung einer korrekten Auszeichnung von Elementen
Technische Umsetzung:
- Implementierung eines responsiven Designs für verschiedene Geräte
- Barrierefreie Formulargestaltung
Inhalte und Funktionen:
- Fehleridentifikation und -beschreibungen
- Konsistente Navigation und Struktur über die gesamte Website
Für eine umfassende Analyse Ihrer Website bieten wir gerne ein detailliertes Barrierefreiheits-Audit an.
Hinweis: Bis wann muss das alles umgesetzt sein?
Die gesetzlichen Anforderungen gelten ab dem 28. Juni 2025 – bis dahin sollten alle verpflichteten Unternehmen ihre digitalen Angebote barrierefrei gestaltet haben.
Übergangslösungen sind möglich, sollten jedoch nur temporär genutzt werden, bis die vollständige Barrierefreiheit erreicht ist.
Ist die Seite barrierefrei – was bleibt zu tun?
Auch nach der technischen Umsetzung gibt es noch ein Punkte zu beachten:
- Barrierefreiheitserklärung inkl. Kontaktmöglichkeiten zu einer Schlichtungsstelle: Dieses Dokument muss neben den (noch) vorhandenen Barrieren eine Kontaktmöglichkeit zu einer Schlichtungsstelle beinhalten, die bei Problemen oder Fragen hilft. Die Erklärung zur Barrierefreiheit soll auf der Startseite leicht zu finden sein und am besten über einen Link von den Unterseiten unkompliziert erreichbar sein. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass Anfragen von Menschen mit Einschränkungen zügig beantwortet werden.
- Mitarbeiterschulungen: Nur wenn alle im Unternehmen über Barrierefreiheit informiert sind, können langfristig einheitliche Standards in allen Bereichen sichergestellt werden. Die Schulung von Mitarbeitern im Umgang mit barrierefreien Inhalten ist daher sehr empfehlenswert.
- Kontinuierliche Anpassungen: Eine Website entwickelt sich stetig weiter. Neue Inhalte und Funktionen sollten daher regelmäßig auf Barrierefreiheit geprüft und bei Bedarf angepasst werden.
Fazit: Barrierefreiheit – Jetzt handeln und langfristig profitieren
Für Unternehmen, die vom BFSG betroffen sind, ist klar: Handeln ist Pflicht. Doch auch ohne gesetzliche Verpflichtung lohnt es sich, das Thema Barrierefreiheit ernst zu nehmen. Die Reichweite kann durch eine barrierefreie Website vergrößert werden, und Sie heben sich im Wettbewerb positiv ab. Langfristig stellt Barrierefreiheit sicher, dass Sie auch bei künftigen Gesetzesverschärfungen auf der sicheren Seite sind und eine breite Zielgruppe ansprechen können.
Fazit: Egal ob Sie zur Umsetzung verpflichtet sind oder nicht – Barrierefreiheit ist ein Zeichen für ein modernes Unternehmen und bietet Ihnen zahlreiche Vorteile. Daher unsere Empfehlung: Machen Sie Ihre Website fit für die Zukunft!
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